Die langwirksame HIV-Injektionstherapie
Endlich auch in Österreich!
Geredet wird ja schon seit Jahren über eine mögliche HIV-Injektionstherapie – seit Anfang 2023 ist diese nun endlich auch bei uns in Österreich verfügbar und bereits im Einsatz. Ende des Jahres 2020 wurden die beiden Substanzen Capotegravir und Rilpivirin in der Europäischen Union zur Behandlung einer HIV-Infektion zugelassen. Seit Anfang 2023 werden die Kosten dieser Therapie auch von den österreichischen Sozialversicherungen übernommen und damit steht einem Einsatz dieser beiden innovativen Substanzen nichts mehr im Wege.
Die langwirksame HIV-Injektionstherapie besteht wie bereits erwähnt aus den beiden Wirkstoffen Capotegravir und Rilpivirin. Capotegravir ist ein sogenannter Integrasehemmer, Rilpivirin ein Nicht-nukleosidischer Reverser-Transkriptasehemmer – beide blockieren auf unterschiedliche Art die Vermehrung der HI-Viren. Nicht-nukleosidischer Reverser-Transkriptasehemmer verhindern die Umwandlung der Virus-RNA in eine Virus-DNA, Integrasehemmer den darauffolgenden Virusvermehrungsschritt, nämlich den Einbau (Integration) der Virus-DNA in die menschliche DNA im Zellkern. Sollten die beiden Medikamente nicht ohnehin unmittelbar vor der Verabreichung aus der Apotheke geholt werden, ist es wichtig, dass Rilpivirin im Kühlschrank gelagert werden muss, Vocabria kann bei Zimmertemperatur oder im Kühlschrank gelagert werden.
Die Therapie beginnt im Regelfall mit einer sogenannten zwei- oder dreiwöchigen Einleitungsphase, in der die beiden Substanzen in Form von Tabletten mit Nahrung eingenommen werden. In dieser Zeit wird die Verträglichkeit geprüft, um das Auftreten möglicher Nebenwirkungen auszuschließen. Am letzten Tag dieser Tablettenphase (morgens werden die beiden Tabletten noch geschluckt) erhält man die ersten beiden Injektionen in je eine Gesäßbacke intramuskulär gespritzt. Die beiden zweiten Injektionen werden bereits nach vier Wochen verabreicht, ab dann alle acht Wochen. In der Zeit zwischen den Injektionsterminen unterdrückt die langwirksame Therapie die Virusvermehrung, eine tägliche Einnahme von Tabletten ist daher nicht mehr erforderlich.
Als mögliche Nebenwirkungen könne Lokalreaktionen oder generalisierte Nebenwirkungen auftreten. Häufige Lokalreaktionen können Schmerzen, Verhärtungen oder Knötchen, sowie Rötungen, Jucken, leichte Schwellungen, blaue Flecken und ähnliches im Bereich der Einstichstelle sein. Als generalisierte Beschwerden können Kopfschmerzen, Änderung der Stimmung und des Schlafes, sowie Veränderungen im Verdauungssystem auftreten (siehe auch Beipackzettel). In unserer Praxis hat von bisher 50 Patienten lediglich ein einziger auf Grund von lokalen Nebenwirkungen (Schmerzen an den Einstichstellen) die langwirksame HIV-Injektionstherapie abgebrochen, keiner wegen generalisierter Nebenwirkungen.
Die langwirksame HIV-Injektionstherapie erspart zwar die tägliche Einnahme von Tabletten, erfordert aber eine zweimonatige Terminplanung. Nach der mehrwöchigen Einleitungsphase erfolgt die Injektionsgabe stets am gleichen Tag in zweimonatigen Abständen. Dies ist am besten an einem Beispiel erklärt: Bei einem Patienten beginnt die zweiwöchige Tabletteneinleitungsphase am 1. April. Somit ist der letzte Tag der Tabletten-Einnahme nach 2 Wochen, der 14. April. An diesem Tag erfolgt noch die morgentliche Tabletteneinnahme, danach erfolgen in der Ambulanz oder Praxis die ersten beiden Injektionen. Nach einem Monat am, 14. Mai also, erfolgt der zweite Injektionszyklus. Ab dann alle zwei Monate jeweils am 14. jedes ungeraden Monats (14. Juli, 14. September, 14. November usw.). Sollte jemand – was leicht möglich ist – zum fixen Injektionstermin keine Zeit haben, gibt es die Möglichkeit des flexiblen Zeitfensters. Die Injektionstermine können ab dem 3. Monat maximal bis zu 7 Tage vor oder nach dem fixen Zieldatum verschoben werden. Längere Verschiebungen müssen mit einer Tabletteneinnahme (wie in der Einleitungsphase) überbrückt werden.
Erwähnenswert ist aber auch noch, dass diese hervorragende und bequeme Therapie uns HIV-Behandler vor logistische Probleme stellt: eine Substanz muss unbedingt gekühlt werden, bestimmte Ambulanzen dürfen den Patienten keine mitgebrachten Medikamente verabreichen, und der zweimonatige Injektionszyklus erfordert einen deutlichen personellen Mehraufwand. Wenn sich in unserer Praxis 20% der 1.200 HIV-positiven Patienten für die langwirksame HIV-Injektionstherapie entscheiden, bedeutet das, dass wir monatlich 120 Patienten je 2 Injektionen verabreichen werden.
Trotz dieser – glücklicherweise lösbaren – Probleme sind wir als HIV-Behandler froh, dass wir diese moderne und man kann fast sagen revolutionäre Therapieoption unseren Patienten anbieten können.
Die langwirksame HIV-Injektionstherapie in Kürze:
– Kombination zweier antiviraler Substanzen (Dualtherapie, bisher 3 oder 4 Substenzen üblich)
– Mehrwöchige Einleitungsphase mit Tabletten möglich, um die Verträglichkeit zu testen
– Verabreichung der beiden Substanzen alle 8 Wochen in den linken und rechten Gesäßmuskel (zwischen erster und zweiter Injektion liegen nur 4 Wochen)
– Injektionen jeweils zum fixen Zieldatum (immer am gleichen Tag jedes geraden oder ungeraden Monats)
– Injektionstermine können maximal bis zu 7 Tage nach vorne oder hinten verschoben werden.
– Kostenübernahme durch die Sozialversicherungen seit Anfang dieses Jahres.
# Dr. Horst Schalk | Gruppenpraxis Schalk:Pichler | www.schalkpichler.at