Der Affenpocken-Ausbruch 2022
Urgent action is needed!
Er hat das Potenzial, die größte Gesundheitskrise der Community seit den 1980er Jahren zu werden. Urgent action is needed – insbesondere gezielte Pocken-Impfkampagnen.
Am 7. Mai 2022 berichtete die Weltgesundheitsbehörde (WHO) erstmalig über das Auftreten von Affenpockenerkrankungen außerhalb der bisher bekannten Gebiete in Afrika. Affenpocken-Erkrankungen waren bis zu diesem Zeitpunkt nur in kleinen Ausbrüchen beschrieben worden, plötzlich finden sich aber immer mehr Fälle in Regionen, die bisher in diesem Ausmaß nicht betroffen waren, insbesondere in Europa.
Was macht das Affenpocken-Virus?
Die Patient*innen leiden unter Krankheitssymptomen wie Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollenen Lymphknoten, Frösteln oder Abgeschlagenheit. Auch asymptomatische Verläufe sind möglich. Typisch sind teils sehr schmerzhafte Hautveränderungen, welche sich von Flecken bis zu Pusteln entwickeln, dann verkrusten und abfallen. Im aktuellen Ausbruch finden sich diese Hautveränderungen oft im Genital- oder Analbereich. Neben Gesicht, Handflächen und Fußsohlen finden sich auch oft Haut- und Schleimhautveränderungen im Mund oder an den Augen. Eine Narbenbildung ist möglich, ebenso die Infektion der Pusteln mit Keimen. Die Krankheitsdauer liegt zwischen zwei und vier Wochen. Eine Isolation wird behördlich über 21 Tage angeordnet.
Wie erfolgt die Ansteckung?
Eine Mensch-zu-Mensch Übertragung ist bei engem Kontakt, unter anderem im Rahmen von Sexualkontakten, möglich. Kondome bieten keinen ausreichenden Schutz. Die Übertragung kann durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten und den typischen Hautveränderungen (Pockenläsionen) stattfinden. In den Hautveränderungen befinden sich besonders hohe Viruskonzentrationen. Eine Übertragung durch Tröpfchen ist jedoch bereits beim Auftreten unspezifischer Symptome (wie z.B. Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen) und noch vor Entwicklung der Hautveränderungen bei Face-to-Face-Kontakt durch ausgeschiedene Atemwegssekrete möglich. Auch über Gegenstände, die zuvor mit infektiösem Material in Berührung kamen, ist eine Weitergabe des Virus möglich. Schwangere Frauen können das Virus über die Plazenta an das Ungeborene weitergeben. Ob das Virus über Sperma oder Vaginalsekret weitergegeben wird, ist noch nicht vollständig geklärt. Die durchschnittliche Zeit von der Ansteckung zu den ersten Symptomen liegt bei 8,5 Tagen (kann aber von 5 bis 21 Tagen variieren).
Wer ist aktuell hauptbetroffen – wer ist „relevant at risk“?
Derzeit sind mehrheitliche schwule, bisexuelle Männer und andere Men who have Sex with Men (MSM) betroffen. Im Public Health Bereich werden betroffene Gruppen als vulnerable („verwundbare“) Gruppen bezeichnet. Der Ausbruch findet noch hauptsächlich in größeren Städten statt. Vorläufige Untersuchungen sehen die Reproduktionszahl bei 0.8, in der vulnerablen Gruppe der MSM aber bei größer als 1. Das heißt, dass eine infizierte Person im Mittel mehr als eine weitere Person ansteckt, dadurch wird der Ausbruch immer größer. Eine weitere vulnerable Gruppe, die es unbedingt zu schützen gilt, ist das Gesundheitspersonal, welches dem Affenpocken-Virus ausgesetzt ist.
Schutz vor einer Infektion? Bei Affenpocken-Symptomen, bleiben Sie zuhause!
Berühren Sie keine Hautauschläge, ebenso gilt: Kein Umarmen, Kuscheln, Küssen oder Sexualkontakt, solange jemand an Affenpocken erkrankt ist. Keine gemeinsamen Handtücher, Bettwäschen, keine gemeinsame Kleidung und kein gemeinsames Geschirr. Hände mit Wasser und Seife waschen oder Händedesinfektion verwenden, besonders nach Kontakt mit erkrankten Menschen. Verwenden Sie nach der Erkrankung und nach dem Abheilen des Ausschlages und Abfallen des Schorfs noch 8 Wochen Kondome, da das Virus noch in der Samenflüssigkeit oder im Vaginalsekret vorhanden sein könnte.
Partys, Clubs und Festivals mit direkten Hautkontakten bergen ein erhöhtes Infektionsrisiko, mehr noch, wenn wenig oder keine Kleidung getragen wird.
Vulnerable Gruppen: Impfen – Impfen – Impfen
Neben Aufklärung, Information und Infektionsschutz, ist die Pockenimpfung sicherlich der wichtigste Teil im Kampf gegen den Affenpocken Ausbruch.
Deutschland hat mit der Impfung eines Pockenimpfstoffs der dritten Generation begonnen. Die ständige Impfkommission (STIKO) hat bereits am 9. Juni 2022, ein Monat nach dem ersten berichteten Krankheitsfall, eine Impfempfehlung aus-gesprochen. Einerseits nach einem Kontakt mit Affenpocken (bis zu 14 Tage danach, Postexposition) und andererseits als Impfempfehlung für das Personal in Speziallaboratorien mit infektiösen Laborproben und die vulnerable Gruppe der MSM. Da Impfstoffknappheit vorherrscht, soll die Impfung aktuell nur Menschen als Postexposition angeboten werden, und hier wiederum Menschen mit dem Risiko eines schweren Verlaufes vorrangig geimpft werden.
Das Nationale Impfgremium in Österreich hat (wenigstens) bis zum 7. Juli 2022 noch keine Stellungnahme abgegeben. Nicht bekannt ist, wie viele Impfdosen von Österreich gekauft wurden oder gekauft werden.
Als Therapie der Erkrankten stehen Schmerzmittel oder fiebersenkende Medikamente zur Verfügung. Das Medikament Tecovirimat ist in Europa zur Behandlung der Affenpocken zugelassen.
Was ist das Impfziel?
Das Ziel der STIKO durch die Impfung ist die Verhinderung der Affenpockeninfektion, die Verhinderung/Abmilderung der Affenpockenerkrankung nach Infektion, die Verhinderung der Affenpockeninfektion bei Personen mit erhöhtem Ex-positionsrisiko und die Verhinderung der Ausbreitung des Affenpockenvirus und die Beendigung des Ausbruches.
„Zutiefst besorgt“ und keine Selbstzufriedenheit
Hans Kluge, WHO Direktor der Europäischen Region am 1. Juli 2022: „Lassen Sie mich klar sein. Es gibt einfach keinen Platz für Selbstzufriedenheit, besonders hier in der europäischen Region mit seinem schnellen Ausbruch, der mit jeder Stunde, jedem Tag und jeder Woche seine Reichweite in zuvor nicht betroffene Gebiete ausweitet“.
Deshalb müssen auch in Österreich alle Community-Vertreter*innen, die öffentliche Hand und die Ärzt*innen an einem Strang ziehen, um diesen Affenpocken Ausbruch zu beenden, denn jede Verzögerung birgt die Gefahr des Versagens.
Urgent action is needed.
Wo kann ich mich informieren:
www.rki.de
www.sozialministerium.at
www.aidshilfe.de
www.aids.at
www.cdc.gov
Fotos: Shutterstock 2158549553 | Berkay Ataseven, Dr. Christian Ziegler
# Autor: Dr. Christian Zagler ist Facharzt für Lungenkrankheiten und HIV-Mediziner in Wien.
Verdacht an Affenpocken erkrankt zu sein?
Was soll ich tun?
- Bleiben Sie zuhause.
- Anonymer Selbsttest unter www.poxapp.charite.de
- Kontaktieren Sie telefonisch den Arzt/die Ärztin Ihres Vertrauens oder rufen Sie 1450 an.
- Bei Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes informieren Sie umgehend Ihren Arzt/Ihre Ärztin oder rufen die den Ärztenotdienst 141 an. Bitte geben Sie immer die Diagnose an, damit Infektionsschutzmaßnahmen getroffen werden können.
Sebastian und Diego sind an Affenpocken erkrankt und schildern ihre Erlebnisse
Wiehabt Ihr bemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Diego: Ich habe am ersten Tag Fieber, Schüttelfrost, Kreislaufprobleme, angeschwollene Lymphknoten in der Leistengegend und am Penis eine weiße Blase bekommen. Am nächsten Tag ging es mir körperlich besser, aber es sind noch zwei Bläschen am Penis dazu gekommen. Es wurde dann von einem Hautarzt angesehen und als Genitalherpes diagnostiziert.
Sebastian: Bei mir hat es mit starkem Fieber, Gliederschmerzen und Schüttelfrost zwei Tage lang angefangen.
Wie ist die Krankheit weiter verlaufen?
Diego: Am 5. Tag ist noch eine Blase am Penis dazugekommen, eine Pustel am Hals und am Rücken. Ich hatte keine Schmerzen. Ich wurde als Kind einmal gegen Pocken geimpft.
Sebastian: Ab dem 3. Tag habe ich im Analbereich kleine Pusteln bekommen, die immer grösser wurden und dann etwa nach einer Woche aufplatzten und gleichzeitig hatte ich bei jedem Stuhlgang heftige Schmerzen, die trotz Schmerzmittel 2 Wochen anhielten, nach 1 Woche bekam ich dann auch am ganzen Körper Pusteln, die sich mit Eiter füllten bis sie dann ebenfalls aufplatzen und dann wie verrückt juckten. Ich musste mein Bett jeden Tag neu beziehen und die Wäsche mit einem Spezial-Waschmittel waschen. Ich hatte leider keine Pocken-Impfung in meiner Kindheit erhalten.
Welche Untersuchungen wurden wo gemacht?
Diego: Da ich freiwillig in die Heimquarantäne gegangen bin, wurden die PCR Abstriche bei mir daheim gemacht (Rachen, Penis und an einer Pocke). Es wurde mit dem Arzt vom Gesundheitsamt versucht herauszufinden, wo ich mich angesteckt haben könnte. Es war eine gute Zusammenarbeit.
Sebastian: Da es mir allgemein nicht gut ging bzw. ich diese Schmerzen und Symptome nicht in diesem Ausmaß kannte, wandte ich mich an einen Arzt meines Vertrauens, der mir nach einer Untersuchung riet, mich im Spital bei den Spezialisten für Infektionen nochmal untersuchen zu lassen. Dort verbrachte ich zwei Nächte.
Was stellt das Gesundheitsamt für Anforderungen?
Diego: Zur Abschlussuntersuchung musste ich nach der Quarantäne in die Infektionsambulanz der Klinik Favoriten. Nach der Untersuchung war ich wieder frei.
Sebastian: In meinem Absonderungsbescheid von der MA15 musste ich sofort in Heimquarantäne, für weitere 14 Tage, und danach musste ich mir einen Termin mit einem Reinigungsteam ausmachen, das meine komplette Wohnung desinfizierte und reinigte. Also im Ganzen waren es dann mehr als 3 Wochen.