Sarah Winkler im Interview
SoHo Salzburg
Die SoHo Salzburg hat sich neu gegründet und will als starke Stimme für die queere Community in Stadt und Land Salzburg wirken. Im Interview spricht die Vorsitzende Sandra Winkler über die Bedeutung einer aktiven LGBTIQ+-Organisation im Jahr 2025, die Herausforderungen durch zunehmende Diskriminierung und Gewalt, aber auch über ihre persönlichen Ziele und Visionen für mehr Gleichberechtigung und Sichtbarkeit.
- Warum braucht es deiner Meinung nach gerade jetzt, im Jahr 2025, eine starke Organisation wie die SoHo Salzburg?
In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Salzburger*innen zunehmend offener im Umgang mit LGBTIQ+-Themen werden, was sich auch an der wachsenden Sichtbarkeit bei Pride-Veranstaltungen bemerkbar macht. Mit der SoHo Salzburg wollen wir ein starkes und dauerhaftes Zeichen setzen, das über einzelne Events hinausgeht und die Community in Salzburg strukturell unterstützt. Eine starke Organisation ist notwendig, um queere Anliegen kontinuierlich in Politik, Gesellschaft und Medien sichtbar zu machen, Schutzräume zu schaffen und als Ansprechpartnerin für Betroffene wie auch für Institutionen zu fungieren. Gerade jetzt, wo gesellschaftliche Polarisierung zunimmt, braucht es stabile Netzwerke und Organisationen, die sich aktiv für Vielfalt und Gleichberechtigung einsetzen.
- Immer öfter hören wir in Österreich von Übergriffen und Gewalt gegen LGBTQ+-Personen. Wie nimmst du die Situation in Salzburg und Österreich aktuell wahr?
Die Zahl an verbalen und physischen Angriffen gegen queere Menschen nimmt leider auch in Salzburg spürbar zu. Viele Betroffene berichten, dass Anfeindungen und Beleidigungen im Alltag fast schon zur Normalität geworden sind. Diese Entwicklung ist alarmierend, denn sie zeigt, dass diskriminierende Einstellungen nach wie vor tief in Teilen der Gesellschaft verankert sind. Besonders problematisch ist, dass politische Verantwortungsträger*innen in Salzburg, allen voran die aktuelle ÖVP-FPÖ-Landesregierung, bestehende Vorurteile noch verstärken. Statt entschlossen gegen Hass und Gewalt vorzugehen, werden Stimmungen geschürt, die das Klima für die Community zusätzlich belasten. Je mehr diese falschen Botschaften in der Öffentlichkeit verbreitet werden, desto stärker fühlen sich Personen ermutigt, ihre Feindseligkeit offen auszuleben.
- International sehen wir autoritäre Politiker wie Orbán oder Trump, die Rechte von queeren Menschen massiv einschränken. Welche Gefahren siehst du für unsere Gesellschaft, wenn diese Tendenzen auch bei uns stärker werden?
Die Entwicklungen in Ungarn, den USA, aber auch aktuell im Vereinigten Königreich zeigen, wie schnell demokratische Grundrechte unter Druck geraten können, wenn autoritäre oder populistische Kräfte an Einfluss gewinnen. Für Österreich besteht die Gefahr, dass solche Beispiele Nachahmer*innen finden. Rechtsextreme und reaktionäre Gruppierungen nutzen diese Entwicklungen gezielt, um ihre eigenen Forderungen nach Einschränkungen von Freiheits- und Minderheitenrechten zu legitimieren. Je salonfähiger diese Positionen werden, desto stärker verschiebt sich auch bei uns der gesellschaftliche Diskurs, weg von Gleichberechtigung, hin zu Ausgrenzung.
Das Risiko ist nicht nur ein Rückschritt für die queere Community, sondern für die gesamte Gesellschaft. Wenn Grundrechte für eine Gruppe infrage gestellt werden, öffnet das die Tür für den Abbau weiterer Rechte. Es geht also nicht nur um LGBTIQ+-Anliegen, sondern um die Verteidigung unserer demokratischen Grundordnung insgesamt. Deshalb braucht es eine wachsame Zivilgesellschaft, klare politische Haltung und internationale Solidarität, um solchen Tendenzen entschieden entgegenzutreten.
- Diskriminierung passiert oft nicht nur auf offener Straße, sondern auch im Alltag, etwa bei der Wohnungssuche oder im Job. Was muss sich ändern, damit Gleichberechtigung wirklich gelebt wird?
Echte Gleichberechtigung erfordert, dass wir über symbolische Bekenntnisse hinausgehen und strukturelle Veränderungen anstoßen. Leider ist es in Österreich nach wie vor straffrei möglich, queere Personen von Alltäglichem wie Taxifahrten auszuschließen. Arbeitgeberinnen, Vermieterinnen und Institutionen müssen stärker in die Pflicht genommen werden, diskriminierungsfreies Handeln sicherzustellen. Gleichzeitig braucht es Aufklärungsarbeit schon im Bildungssystem, damit Vielfalt von klein auf als selbstverständlich erlebt wird. Nur wenn rechtliche Absicherung, Bewusstseinsbildung und gesellschaftliche Verantwortung ineinandergreifen, kann Gleichberechtigung nicht nur auf dem Papier, sondern im täglichen Leben Realität werden.
- Was sind deine persönlichen Ziele mit der neuen SoHo Salzburg und wie können interessierte Menschen mithelfen, Teil der Bewegung zu werden?
Mein Ziel ist es, die SoHo Salzburg zu einer starken, dauerhaften Stimme für die queere Community zu machen. Wir wollen ein Netzwerk schaffen, das queere Menschen unterstützt, sichtbar macht und ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Anliegen in Politik und Gesellschaft einzubringen. Besonders wichtig ist mir, dass wir Räume schaffen, in denen sich Menschen sicher fühlen, sich austauschen und gemeinsam Strategien gegen Diskriminierung entwickeln können. Darüber hinaus möchten wir mit klaren politischen Forderungen dazu beitragen, dass Gleichstellung in Salzburg nicht nur ein Schlagwort bleibt, sondern Schritt für Schritt umgesetzt wird.
Mitmachen kann jede*r, sei es durch aktives Engagement in unserem Team, durch die Teilnahme an Veranstaltungen oder indem man unsere Arbeit in der eigenen Umgebung sichtbar macht. Salzburg braucht Menschen, die bereit sind, Haltung zu zeigen und die gemeinsam mit uns daran arbeiten wollen, das Land vielfältiger, gerechter und bunter zu gestalten.
- Welche Rolle soll die SoHo Salzburg künftig innerhalb der SPÖ, aber auch in der breiteren politischen Landschaft spielen?
Wir wollen als starke Stimme innerhalb der SPÖ auftreten, die dafür sorgt, dass Themen der LGBTIQ+-Community nicht nur am Rande, sondern im Zentrum sozialdemokratischer Politik berücksichtigt werden. Unser Ziel ist es, queere Perspektiven in allen Politikfeldern einzubringen, sei es in Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Arbeitswelt, der Bildung, der Gesundheit oder des Wohnens. Denn Gleichberechtigung darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in der gesamten politischen Arbeit mitgedacht werden. Darüber hinaus wollen wir auch über die Parteigrenzen hinauswirken. Die SoHo Salzburg soll eine Brücke zwischen Politik und Community sein. Wir möchten Anliegen aufnehmen, sichtbar machen und gemeinsam mit Organisationen Lösungen erarbeiten.
- Kritiker*innen werfen LGBTQ+-Organisationen manchmal vor, dass sie „zu laut“ oder „zu politisch“ auftreten. Wie gehst du mit diesem Vorwurf um?
Sichtbarkeit ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit. Viele Errungenschaften in der Gleichstellung wurden nur deshalb erreicht, weil Menschen ihre Stimme erhoben haben. Wer sagt, wir seien zu laut, blendet aus, dass Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen noch immer Realität sind. Wenn wir uns zurückziehen und leise bleiben, ändert sich nichts. Politik betrifft unser Leben unmittelbar, ob bei Ehe- und Adoptionsrechten, beim Schutz vor Diskriminierung oder bei Förderprogrammen. Daher ist es selbstverständlich, dass wir auch politisch aktiv sind. Zu laut sind wir also nur aus Sicht jener, die es lieber hätten, wenn wir uns unsichtbar machen.
- Welche langfristigen Veränderungen wünschst du dir für Salzburg in Bezug auf Akzeptanz und Gleichstellung?
Langfristig wünsche ich mir, dass Vielfalt in Salzburg als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen wird. Dazu gehört, dass queere Menschen im Alltag keine Angst vor Anfeindungen haben müssen, dass Diskriminierung konsequent geahndet wird und dass die öffentliche Sichtbarkeit von LGBTIQ+-Personen in allen Lebensbereichen gestärkt wird – ob in Politik, Wirtschaft, Kultur oder Medien. Ein weiteres Ziel ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Community, Politik und Zivilgesellschaft dauerhaft gefestigt wird, damit Gleichstellung nicht von einzelnen Projekten oder politischen Konstellationen abhängig bleibt, sondern zu einem stabilen Bestandteil des gesellschaftlichen Miteinanders wird. Mein Wunsch ist es, dass zukünftige Generationen eines Tages dafür akzeptiert werden, was sie sind: Menschen, die lieben und geliebt werden wollen.
- Oft liegt der Fokus bei LGBTQ+-Themen auf jungen Menschen. Welche Bedeutung hat die ältere Generation in der Community, und wie kann die SoHo Salzburg sie besser einbinden?
Die ältere Generation ist für die Community von großer Bedeutung, weil viele von ihnen jahrzehntelang für Rechte gekämpft haben, die wir heute als selbstverständlich ansehen. Gleichzeitig erleben gerade ältere queere Menschen häufig besondere Herausforderungen, etwa Vereinsamung, Unsichtbarkeit oder fehlende Angebote in Pflege und Gesundheit. Wir möchten diese Themen stärker aufgreifen und Räume schaffen, in denen auch ältere queere Personen sichtbar bleiben und ihre Erfahrungen weitergeben können. Unser Ziel ist es, Generationen miteinander zu verbinden, denn oft sorgt fehlende Kommunikation für falsche Vorurteile. Die Jüngeren können von den Geschichten und dem Engagement der Älteren lernen, während die Älteren von der Energie und Offenheit der jungen Generation profitieren. Auf diese Weise entsteht ein gegenseitiger Austausch, der die Community als Ganzes stärkt.
- Was war das verrückteste Vorurteil, das dir als queere Person oder Aktivistin bisher begegnet ist?
Eines der wohl absurdesten Vorurteile, das mir immer wieder begegnet, ist die Vorstellung, queere Menschen würden den ganzen Tag nur an Partys, Alkohol und bunte Einhörner denken. Dieses Bild ist nicht nur stark vereinfacht, sondern hat auch wenig mit der Realität zu tun. Natürlich gibt es Pride-Veranstaltungen, die bunt und laut sind und das ist auch wichtig, weil sie Sichtbarkeit schaffen. Aber der Alltag der meisten queeren Menschen sieht völlig anders aus. Ich persönlich genieße es, Zeit in ruhiger Atmosphäre mit Freundinnen und Kolleginnen zu verbringen, oft ganz unspektakulär bei einer, zwei oder manchmal auch drei Tassen Kaffee. Abseits der öffentlichen Auftritte sind wir Menschen mit denselben Verpflichtungen, Herausforderungen und Zielen wie alle anderen auch. Wir gehen einer geregelten Arbeit oder einem Studium nach und gestalten unser Leben auf vielfältige Weise. In meinem Fall habe ich in den vergangenen Monaten mein Bachelorstudium in Facility Management & Immobilienwirtschaft erfolgreich abgeschlossen und werde ab Oktober mein Masterstudium in Corporate Transformation Management an der FH Kufstein Tirol beginnen. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie weit Stereotype und Klischees manchmal von der Realität entfernt sind. Genau deshalb ist es wichtig, dass wir über solche Vorurteile sprechen, einerseits mit einem Augenzwinkern, um die Absurdität aufzuzeigen, andererseits aber auch mit der nötigen Ernsthaftigkeit, um deutlich zu machen, dass queere Menschen keine Karikatur sind, sondern Teil der gesellschaftlichen Vielfalt, die in allen Lebensbereichen präsent ist.
Foto: © Sandra Winkler

