Als homosexuell verfolgt.

Leopoldstädter Schicksale aus der NS-Zeit

Mit der Ausstellung über Männer und Frauen, die aufgrund ihrer Homosexualität in der NS-Zeit verfolgt wurden, setzt das Bezirksmuseum Leopoldstadt ab 14. Februar starke Akzente.

Nach der 2023 erschienenen Publikation „Als homosexuell verfolgt. Wiener Biografien aus der NS-Zeit“ und der Sonderausstellung „Als homosexuell verfolgt. Mariahilf in der NS-Zeit“ wird mit der Ausstellung „Als homosexuell verfolgt. Leopoldstädter Schicksale aus der NS-Zeit“ im Bezirksmuseum Leopoldstadt die Zusammenarbeit von Bezirksmuseen mit QWIEN – Zentrum für queere Geschichte in Kooperation mit der Stabstelle Bezirksmuseen im Wien Museum fortgesetzt.

17 Lebensgeschichten werden erzählt

Insgesamt 17 Lebensgeschichten stellt der Kurator Andreas Brunner von Zentrum QWIEN vor. „Entscheidend bei der Auswahl der Geschichten war eine große Diversität der Schicksale“, so Kurator Andreas Brunner. „Mit diesen Lebensgeschichten tauchen die Besucher:innen aber auch tief in die reiche homosexuelle Subkultur der Zeit ein. Es wird auch eine Geschichte des Praters und seines Umfelds erzählt, die bislang unbekannt und unsichtbar war.“

Der Prater selbst, aber auch Lokale wie das Gasthaus „Zur schönen Schäferin“ im Wurstelprater, oder das „Eminger“ am Praterstern (heute Gasthaus Hansy) waren Teil eines bunten schwulen und lesbischen Lebens. Das Dianabad und vor allem das Römische Bad in der Kleinen Stadtgutgasse zählten zu den beliebten Treffpunkten homosexueller Männer, wobei es auch – als einzigem Bad Wiens – Hinweise auf lesbische Baderunden gibt.

Dokumente der Verfolgung als Quelle

„Die Rekonstruktion der Lebensgeschichten ist schwierig“, sagt Brunner. „Wir haben nur die Dokumente der Verfolgung als Quelle. Diese sind in einer behördlichen, oft abwertenden Sprache verfasst und dienten einem Zweck: Sie sollten die Verdächtigen des Verbrechens der ‚Unzucht wider die Natur‘ überführen. Zwischen den Zeilen erzählen die Strafakten auch von Einschüchterung und Gewalt durch die Gestapo und Kripo, die die Ermittlungen führten.“

Es sind vor allem Unterprivilegierte, die sich im Netz der Verfolgung verfangen. Obwohl die NS-Homosexuellenverfolgung als blanke Klassenjustiz bezeichnet werden kann, ist die Bandbreite der Geschichten groß: Es wird erzählt von drei Frauen, die von der Kripo verfolgt, oder zwei homosexuellen Männern, die auch als „Juden“ klassifiziert wurden; von der Gestapo, die homosexuelle Freundeskreise aushob, und von Menschen, die ums Überleben kämpften und trotzdem ihrem Begehren folgten; von Strichern, die von den Nazis mit besonderer Härte verfolgt wurden, oder von handfesten Nazis, die ihre Gefolgschaft nicht vor Verfolgung schützte.

Der Prater als Ort des queeren Lebens

„In Gaststätten unterhielten „Damenimitatoren“, vor den Kinos warteten junge Männer auf Kunden, der große Gastgarten der Schönen Schäferin war auch bei Lesben beliebt, Freundeskreise, Sex und Liebschaften, Liebe und Beziehungen. All das gab es trotz Verfolgung“, erzählt Brunner. „Gerade im Umfeld des Praters, mit seinem ständigen Kommen und Gehen und seiner verminderten sozialen Kontrolle, konnten auch lesbische Frauen und homosexuelle Männer ihre Nischen finden.“ Die erhöhte Verfolgungsintensität der Nazis zerstörte diese kleinen Biotope, aber auch die Leben der Betroffenen selbst. Einige kamen mit einer Kerkerstrafe davon, andere wurden in Konzentrationslagern ermordet oder hingerichtet.

Es ist wichtig diese Lebensgeschichten als Teil der Wiener Stadtgeschichte zu begreifen“, schließt Andreas Brunner. „Auch wenn sie im Verborgenen leben mussten, gehörten Menschen, die gleichgeschlechtlich begehrten, zum diversen Leben der Großstadt Wien.“

 

Als homosexuell verfolgt. Leopoldstädter Schicksale aus der NS-Zeit
14. Februar 2024 bis 26. Juni 2024

Bezirksmuseum Leopoldstadt
Karmelitergasse 9, 1020 Wien

Öffnungszeiten:
Mittwoch 16 bis 18:30 Uhr, Sonntag 10 bis 13 Uhr

https://www.bezirksmuseum.at/de/ausstellung/als-homosexuell-verfolgt-mariahilf-in-der-ns-zeit/


Publikation: Als homosexuell verfolgt. Wiener Biografien aus der NS-Zeit, Andreas Brunner, Mandelbaum Verlag, 2023

Foto: Martin Gerlach, Volksprater – Volksbelustigungen, 1920er-Jahre (Reproduktion 1959), Wien Museum

Foto: Unbekannt, Wien, Prater Riesenrad bei Nacht, um 1935, Wien Museum