10 Jahre Zero Discrimination Day

Aids Hilfe Wien fordert Ende der Stigmatisierung von Menschen mit HIV

Im Jubiläumsjahr des Aktionstages gegen HIV-bezogene Diskriminierung, der sich am 1. März zum zehnten Mal jährt, ruft die Aids Hilfe Wien in einer Aussendung dazu auf, die Stigmatisierung von Menschen mit HIV zu beenden.

Wie die Diskriminierungsmeldungen aus dem Jahr 2023 deutlich zeigen, erleben Menschen mit HIV – wie auch in den vergangenen Jahren – vorwiegend im Gesundheitswesen diskriminierendes Verhalten. Die Aids Hilfe Wien unterstreicht die Bedeutung einer diskriminierungsfreien Gesundheitsversorgung für Menschen mit HIV, da Vorverurteilungen nachweislich das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen und die Adhärenz negativ beeinflussen können.

Diskriminierung im Gesundheitswesen: Eine traurige Realität

Die Aids-Hilfen Österreichs dokumentieren HIV-bezogene Diskriminierungen seit über zehn Jahren. Dr.in Mirijam Hall, Vorsitzende der Aids Hilfe Wien, schildert die österreichweit dokumentierten Fälle: „Bei der Diskriminierungsmeldestelle dokumentieren und begleiten wir seit vielen Jahren Menschen mit HIV, die sich aufgrund einer Ungleichbehandlung an uns wenden. Bedauerlicherweise ereigneten sich auch noch im Jahr 2023 mehr als 70% aller dokumentierten Diskriminierungsfälle im Gesundheitswesen.“ Dies beinhalte beispielsweise die Verweigerung einer Behandlung, Terminverlegungen ans Ende der Ordinationszeit und abwertendes Verhalten seitens des Pflege- und ärztlichen Personals.

Bewusstsein schaffen und Diskriminierung beenden

Die Aids Hilfe Wien warnt auch vor den schwerwiegenden Auswirkungen von HIV-bezogener Diskriminierung auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Betroffenen. Menschen mit HIV führen unter wirksamer Therapie ein normales Leben, erleben aber leider oft Abwertung durch andere. Dadurch entstandene Unsicherheiten und Vorbehalte können das Gesundheitsverhalten beeinflussen. Das kann bedeuten, dass Ärzt:innenbesuche aufgeschoben oder gar komplett vermieden werden. Mirijam Hall macht daher deutlich: „Menschen, die mit HIV leben, dürfen weder im Gesundheitssystem noch in anderen Bereichen Nachteile haben, deshalb müssen wir gemeinsam gegen Stigmatisierung und Schlechterbehandlung ankämpfen.“ Erfahrungsgemäß erfolgten auch 2023 viele Diskriminierungen aufgrund von Unwissenheit. Der Aufklärungsarbeit komme daher eine besondere Bedeutung zu. Eines der Schlüsselelemente, um Diskriminierung zu beenden, sei es daher zu informieren.

Die Aids Hilfe Wien bietet Workshops, die aktuelles Fachwissen vermitteln. Neben dem Workshop-Angebot für Personen im Gesundheitsbereich können auch Beratungseinrichtungen, Arbeitgeber:innen, Multiplikator:innen oder Schulklassen unsere Informations- und Workshop-Angebote nutzen.

Doch warum hält sich die Diskriminierung HIV-positiver Menschen so hartnäckig? Wir haben mit Barbara Murero-Holzbauer von der Aids Hilfe Wien gesprochen.

Was bedeutet das Wort Stigmatisierung?

B.M.: „Der Begriff „Stigma“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet so viel wie Brand-/Wundmal. Bei Stigmatisierung handelt es sich um einen Prozess in dessen Verlauf Menschen aufgrund eines Merkmals oder einer vielleicht auch nur vermuteten Zugehörigkeit be- und abgewertet werden und sie werden verallgemeinert, entindividualisiert. Diese Merkmale können sein: eine Behinderung, die Hautfarbe, die Herkunft, die sexuelle Orientierung, die Religion, Armut – Obdachlosigkeit, Drogengebrauch, etc.

Es kommt zu einer Unterscheidung „wir“ und „die Anderen“ – „die Anderen“, die als weniger wert betrachtet werden. Man wird als anders betrachtet, als nicht „normal“, als „abweichend“ von der bestimmenden Gruppe, von dem „wir“. Im Prozess der Stigmatisierung findet schlussendlich eine Ausgrenzung statt und man ist nicht mehr zugehörig, man ist aufgrund seines Merkmals meist negativ behaftet.“

Warum werden Menschen mit HIV (immer noch) stigmatisiert?

B.M.: „Stigmatisierung ist dynamisch: das bedeutet, dass sich negative Zuschreibungen und Vorurteile ändern können, wenn sich die vorherrschenden Werte innerhalb der Gesellschaft ändern.

Was die HIV-bezogene Stigmatisierung betrifft, gab es leider noch keinen vollständigen Wertewandel. Noch immer kommt es vor, dass HIV-positive Personen mit der Offenlegung der Diagnose von anderen abgewertet werden, weil negative Vorurteile und irrationale Ängste bestehen.

Wie es dazu kommt, ist vielschichtig: Das Wissen, wie HIV übertragen wird, ist oft ein falsches oder unvollständiges. Da kommt es dann zu diffusen Ängste und Unsicherheiten. HIV kann im Alltag nicht übertragen werden, nicht durch Händeschütteln, Küssen oder die gemeinsame Benutzung einer Toilette. Auch dass HIV hauptsächlich sexuell übertragbar ist, fördert die Stigmatisierung: in unserer Gesellschaft wird leider immer noch unterschieden und gewertet, welches Sexualverhalten „sozial adäquat“ ist und welches nicht. HIV-positiv zu sein wird oft auch damit verbunden, dass man weniger leistungsfähig ist – obwohl das natürlich auch nicht stimmt. Wir kommen immer wieder auf das fehlende Wissen zurück. Unter wirksamer Therapie kann man mit einer HIV-Diagnose ganz normal leben, arbeiten und alt werden.“

Was kann man tun, wenn man sich diskriminiert fühlt?

B.M.: „Wenn ich mich diskriminiert fühle, kann es einerseits gut helfen, wenn ich mich über meine Rechte informiere und ob es die Möglichkeit gibt, mich gegen die Schlechterbehandlung zu wehren. Ob es, HIV-bezogen, bei den Aids Hilfen ist oder aus anderen Gründen, z.B. bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft – suchen Sie kompetente Unterstützung auf. Es kann andererseits auch hilfreich sein, darüber mit der Familie oder Freund:innen zu reden, das hängt natürlich immer von den individuellen Lebensumständen ab. Eine Schlechterbehandlung kann oft traumatisch sein, daher sollte man nicht damit alleine bleiben. Wichtig zu wissen, meiner Ansicht nach, ist, dass ich Diskriminierung nicht akzeptieren muss: ich muss es mir nicht gefallen lassen, schlechter behandelt zu werden.“

10 Jahre „Zero Discrimination Day“

Der Zero Discrimination Day wurde von UNAIDS erstmals am 1. März 2014 ausgerufen. An diesem Tag soll weltweit darauf aufmerksam gemacht werden, dass alle Menschen ein Recht auf ein Leben in Würde und frei von Stigmatisierung und Diskriminierung haben und Maßnahmen gegen Diskriminierung von Menschen, die mit HIV leben, ergriffen werden müssen. Mit dem Hashtag #zerodiscrimination sind Organisationen und jede:r Einzelne aufgerufen, ein Zeichen gegen Diskriminierung zu setzen.

Als Teil des Jubiläums zum 10. Zero Discrimination Day veranstaltet die Aids Hilfe Wien am 1. März eine Diskussionsveranstaltung mit dem Schwerpunkt auf Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit HIV. Zu sehen gibt es außerdem eine Fotoausstellung mit dem Titel „Going Viral“ des Fotografen Christopher Klettermayer, die bis Ende Mai während der Öffnungszeiten der Aids Hilfe Wien besucht werden kann.

# Juliana Metyko-Papousek, Aids Hilfe Wien

Mirijam Hall, ist Vorsitzende der Aids Hilfe Wien und Assistenzärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Klinik Ottakring

Barbara Murero-Holzbauer ist Juristin und in der Aids Hilfe Wien für die Antidiskriminierungsarbeit zuständig. Sie berät Menschen mit HIV, die von Diskriminierung betroffen sind und leistet inhaltliche Arbeit zum Thema Ungleichbehandlung und HIV.