Flying to Cambodia

Die XTRA!-Kulturreise

1981 sang Kim Wilde in ihrem mit hämmernden Bass-Rhythmen unterlegten Nr. 1-Hit von den mentalen Problemen eines (in Thailand stationierten?) US-Piloten, der einen militärischen Auftrag bekam – he had a job to do. Der Text wurde, ein paar Jahre nach dem Ende des Vietnam-Krieges, in den Vereinigten Staaten durchaus problematisch empfunden. 2023 fliegen Touristen wie ich aus aller Welt nach Kambodscha, um die Welt der alten Königreiche und ihrer faszinierenden Tempelanlagen zu erleben. Zuvor gibt es dazu eine Einleitung mit One Night in Bangkok…

Bangkok-Suvarnabhumi – so der Name des 2006 eröffneten internationalen Großflughafens der thailändischen Hauptstadt (der ältere heißt Don Mueang) – beeindruckt selbst den nach einem Fernstreckenflug von zehn Stunden etwas übernächtigten Ankömmling aus Istanbul mit seinen Ausmaßen. Dass der Name in Übersetzung „Goldenes Land“ bedeutet, wird durch die Duty Free Shopping Malls bestätigt, die alle Marken dieser Welt anbieten. Genauso imponierend die Fülle an Destinationen und die Liste der Währungen auf den Info-Tafeln der Wechselstuben (übrigens: für einen Euro bekommt man – über den Daumen berechnet – an die 40 Baht).

Die Fahrt entlang eines endlosen Panoramas von Hochhäusern ins Stadtzentrum (etwa 30 km) dauerte mit dem Reisebus an die 80 Minuten – das Gepäck wurde nur im Hotel deponiert, und weiter ging’s, um das vorgesehene Programm (trotz Flugverspätung von Istanbul aus) realisieren zu können – zumindest die zwei Königlichen Tempel Erster Klasse Wat Pho (mit dem Liegenden Buddha) und Wat Arun (Tempel der Morgenröte). Wer sich aufs Klettern einlassen will und kann, wird mit atemberaubenden Perspektiven belohnt; um die Heiligtümer im Inneren der Anlagen zu sehen, müssen die Schuhe ausgezogen werden. Der Smaragd-Buddha, Thailands National-Heiligtum, ist eine 66 cm große Buddha-Statue (aus Jade!) und befindet sich im Wat Phra Kaeo; den Jahreszeiten angepasst, besitzt er drei verschiedene Gewänder, die vom König oder einem Prinzen als Vertreter im Rahmen einer feierlichen Zeremonie gewechselt werden. Er hat seit seiner Entdeckung schon einige (von Kriegen ausgelöste) Reisen hinter sich und gelangte über Sri Lanka, Java, Myanmar und Angkor schließlich nach Thailand.

Der nächste Tag brachte einen Ausflug in den Khao Yai-Nationalpark, wo es – man glaubte’s kaum – nicht einmal 20 Grad hatte und woran wir uns noch lange erinnerten. Angeblich soll es dort auch (wilde?) Elefanten geben, den Handys boten sich zumindest Affen, Hirsche und Bankiva-Hühner, die Stammform unseres Haushuhns – Begeisterung lösten jedenfalls die Kletterkünste der Schwarzen Riesenhörnchen aus. Über Hängebrücken und steile Pfade wurden Wasserfälle erreicht – Dschungel-Erlebnis als UNESCO-Weltkulturerbe  verpackt. Am Abend wurde mit Korat das nächste Nachtquartier erreicht (mehr waren die durchwegs erstklassig ausgestatteten Hotels leider nicht, denn spätestens um acht Uhr früh stand stets der Reisebus zur Weiterfahrt bereit).  In Phimai befinden sich einige der schönsten Khmer-Tempel Thailands – und mit der Anlage von Phanom Rung (auf einem Vulkanhügel erbaut) wurde unsere kleine Gruppe erstmals mit der Vorliebe der einstigen Erbauer konfrontiert: Stufen, oft unregelmäßig und natürlich ohne Geländer – also gelegentlich nur mit Strapazen zu bewältigen. Ich dachte da öfters an das bekannte Prinzip: Berge von unten, Kirchen von außen, Wirtshäuser von innen. Aber schließlich war man doch wegen dieser (und anderer) Tempelanlagen hier und musste seine Anwesenheit inmitten eingestürzter Wände mittels Handy beweisen. Dass es ab nun durchwegs um die 35 Grad hatte, sei nur nebenbei erwähnt.

Mit dem folgenden Tag kam der Grenzübertritt von Thailand nach Kambodscha – Österreicher brauchen zwar ein Visum, bekommen dieses aber direkt an der Grenze gegen 35 US-Dollar in bar (der Dollar ist die zweite Landeswährung, Wechselgeld gibt es aber nur in Riel – ein Euro bzw. Dollar entspricht in etwa 4400 Riel). Das Kloster Banteay Chhmar – eine der größten umfriedeten Anlagen des Landes – beeindruckte mit gigantischen Ruinen, die von Würgefeigen vor dem endgültigen Einsturz bewahrt werden. Quartier wurde diesmal für zwei Nächte in Battambang bezogen, wo die Nächte laut waren – einmal wegen der Vorbereitungen zum Jahreswechsel, am Folgemorgen aber auch durch die Gesänge eines Mönchs anlässlich von Vollmond. Am späten Nachmittag warteten wir – wie viele andere Touristen – vor einer Karsthöhle des Phnom Sapeau-Hügels auf ein Naturerlebnis besonderer Art: um 18 Uhr etwa verließen Abertausende (wenn nicht Millionen) von Fledermäusen die Höhle und lösten mit ihrem Erscheinen Faszination aus – wer ein Teleobjektiv hatte, kann nun sicher beweisen, dass er bei dieser Flug-Schau dabei war.

Auf dem Weg nach Kampong Chhnang wurde eine Töpferei besucht – rings um den Brennofen hatte es noch ein paar Grade mehr. An Udong, die einstige Hauptstadt, erinnern die Grabstupas von drei Königen – die höchste (mit 55 m) birgt als kostbare Reliquie einen Knochen Buddhas.

Am Abend wurde Phnom Penh, die heutige Hauptstadt an der Mündung des Tonle Sap-Flusses (dem Abfluss des gleichnamigen Sees) in den Mekong,  erreicht. Mit etwa 2,5 Millionen Einwohnern ist sie das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum des Landes. Aus der französischen  Kolonialzeit stammen die architektonisch beeindruckende Halle des Zentralmarktes und die Uferpromenade mit ihren weitläufigen Parkanlagen, wo Flughunde durch das Blätterdach der Bäume flattern. Neben dem Königspalast gehören die Silberpagode und das Nationalmuseum mit beeindruckenden Artefakten zum touristischen Pflichtprogramm. Auch hier wurde wieder ein Kloster mit seinen endlosen Stufen zum Testprogramm der Fitness, so man diese Prüfung nicht mit einem Tuk Tuk – einer Moped-Rikscha – umging, bei dessen Einstieg man aber gelenkig sein musste. Bei einer Rundfahrt wies der lokale Reiseleiter auch auf das umfangreiche Bauprogramm entlang der „Waterfront“ hin, das – wie er recht eindeutig zu betonen wusste, „von den Chinesen“ finanziert wird, „wie alles hier im Lande“. Als spezielles Negativbeispiel nannte er die einstige Hafenstadt Kompong Som, das heutige Badeparadies Sihanoukville, wo nun ein Casino neben dem anderen steht.

Nach zwei Nächtigungen in der Hauptstadt ging es – entlang von Reisfeldern und Lotos-Teichen – nach Kampong Cham (Tempel aus dem 11. Jhd.) und Kratie (Roka Pagode). Auf einem Straßenmarkt nahe Kratie wurden uns auch die Lebensmittel der Zukunft vorgestellt: Heuschrecken, Grillen, Maden und Kerbtiere – gegrillt. Kinder freuten sich, wenn sie arachnophobe Besucher mit ihren handtellergroßen lebenden Vogelspinnen etwas aus der Fassung bringen konnten und dafür auch noch einige Riel bekamen. Den Besuch des am Mekong gelegenen Dorfes Chheetieel Phlom, wo moslemische Cham leben, empfand ich als Demütigung dieser Menschen. Vor der Moschee spielten zwar unzählige Kinder und lachten uns zu, die Frage nach deren Zukunft fand aber kaum zufriedenstellende Antwort.

Am Silvester begann die direkte Begegnung mit dem Mekong, zuerst mit einer Bootsfahrt, um die seltenen Flussdelphine aufs Handy zu bannen, später dann zu den Mekong-Fällen, mit zehn Kilometern die weltweit breitesten Wasserfälle. Oberhalb der Fälle wurde der Jahreswechsel in einer Lodge zelebriert, für die anschließende Nächtigung blieb aber trotz Neujahr etc. wieder nur wenig Zeit, denn über eine erst vor einigen Jahren fertiggestellte Straße ging es nach Sra Aem zum Hindutempel von Preah Vihear – kaum noch überraschend liegt auch dieser auf einem Hügel. Auf Grund seiner Nähe zur Grenze wird er öfters von Thailand beansprucht.

Das nächste Ziel war das UNESCO-Weltkulturerbe Koh Ker, wo der Dschungel die einstige Khmer-Hauptstadt Lingapura überwuchert hat, aber wunderbare Perspektiven – etwa auf eine 36 m hohe siebenstufige Pyramide – bietet. Am Weg nach Kampong Thom beeindrucken inmitten von Wäldern die hinduistischen Tempel von Sambour Prey Kuk. Der nächste Morgen begann mit einer Bootsfahrt auf dem Tonle Sap, mit etwa 2.500 km² der größten See Südostasiens. Wenn der Mekong durch Hochwasser um bis zu 14 m steigt, fließt einer seiner Mündungsarme auch – entgegen der Richtung des Tonle Sap-Flusses – in den See und vergrößert so dessen Fläche auf bis zu 25.000 km². Am Abend wird schließlich das große Ziel erreicht: Angkor! Unter diesem Namen wird zusammengefasst, was die Khmer-Kultur in ihrer architektonischen Pracht zu bieten hat: auf etwa 1000 km² befinden sich an die 180 Tempel, von denen Angkor Wat und Angkor Thom die bekanntesten sind. Diese Bauwerke haben ihre religiöse und politische Widmung überdauert und sind erhabene  Wunderwerke ihrer Zeit. Allein die Ausmaße von Angkor Wat geben bereits eine Vorstellung: das Areal umfasst inklusive Wassergraben eine Fläche von 1,5 km x 1,3 km; der das innere Areal umfassende Wassergraben ist zwischen 170 und 190 m breit. Der im Zentrum stehende Tempel beeindruckt mit fünf nach Lotosblüten geformten Türmen, deren höchster 65 m misst. Die gesamte Anlage befindet sich unter staatlicher Kontrolle – die über eine Woche gültige Eintrittskarte berechtigt zum dreimaligen Besuch, kostet 62 US-Dollar, ist im Vorverkauf erhältlich und wird mit einem Foto des Besuchers markiert. Im Unterschied zu allen zuvor besuchten Klöstern und Tempeln gibt es für Angkor ausreichendes Bild- und Informationsmaterial (in allen wesentlichen Sprachen), auch die Holzstege sind gesichert. Angkor Wat wird gerne von Hochzeitspaaren für Erinnerungsfotos genützt: sie kommen in prächtiger traditioneller Kleidung (aus Seide, mit Stickereien versehen), die Braut wird von einem Friseur bzw. Maskenbildner begleitet, denn ihr Make-up bedarf bei 35 Grad im Schatten bald schon einer Nachbesserung. Mit dem Besuch der „Zitadelle der Frauen“ (Banteay Srei) folgte noch ein finaler Höhepunkt, besteht der Tempel doch aus rosafarbenem Kalkstein und präsentiert höchste Steinmetzkunst.

Nach dem Rückflug von Siem Reap nach Bangkok wurde nun das Programm geboten, das am Ankunftstag nicht durchgeführt werden konnte: der Königspalast mit seiner geradezu beängstigenden Menge von Besuchern und die Bootsfahrt am pittoresken Chao Phraya Fluss und seinen Kanälen. Beim Abendessen gab es dann noch einen erinnernden Blick auf das Kloster Wat Arun. Die letzte Nacht in Thailand war sehr kurz, denn der Flug nach Istanbul startete bereits um 06.25 Uhr, von wo es dann nach Wien weiterging, die Ankunft erfolgte prompt um 18.15 Uhr – bei minus 8 Grad! Es hat eben alles seinen Preis…

Robert WALOCH